Auswirkungen des BREXIT auf „deutsche“ Limiteds

Anfang der 2000er Jahre war es aus gesellschafts- und z.T. steuerrechtlichen Gründen es in Deutschland Mode, statt einer GmbH eine britische Limited Company zu gründen, obwohl der Verwaltungssitz des Unternehmens ausschließlich im Inland lag. Im Hinblick auf die innerhalb der EU bestehende Niederlassungsfreiheit konnten inländische Zweigniederlassungen dieser Gesellschaften mit Hilfe der sog. Gründungstheorie in Deutschland Geschäfte machen, ohne selbst deutschen Rechtsvorschriften unterworfen zu sein. Vielmehr galt für die Rechtseinheiten britisches Gesellschaftsrecht.

Gründungstheorie weiter anwendbar?

Nachdem die Verwendung der Limited als Rechtsform für Neugründungen in Deutschland bereits durch die Einführung der „UG haftungsbeschränkt“ in 2009 faktisch zurückgedrängt wurde, kam durch das Ende der Übergangsfrist für den BREXIT am 31.12.2020 auch auf die noch bestehenden Limiteds ein Problem zu. Zwar hat die EU mit dem Vereinigten Königreich noch vor Fristablauf ein Handels- und Kooperationsabkommen geschlossen. Auch auch unter Berücksichtigung dieses Abkommens war es jedoch fraglich, ob nach dem Brexit auf in Deutschland ansässige Limiteds weiterhin die Gründungstheorie anzuwenden ist, d.h. diese Gesellschaften trotz ihres ausschließlichen Sitzes in Deutschland weiterhin nach britischem Recht behandelt werden können. Vor diesem Hintergrund hatten vor Fristablauf viele Gesellschaften von einer grenzüberschreienden Umwandlung der britischen Limited in eine deutsche GmbH Gebrauch gemacht.

Erste Gerichtsentscheidung liegt vor

Nunmehr hat das OLG München in seinem Urteil vom 05.08.2021 (Az. 28 U 2411/21) als ersichtlich erstes Obergericht zu diesem Thema Stellung bezogen. Die Richter vertreten darin die bereits vor dem BREXIT in der Literatur geäußerte und kürzlich auch vom BGH Beschl. v. 16. Februar 2021, Az. II ZB 25/17 und Beschl. v. 15. Juni 2021 – II ZB 25/17) bestätigte Auffassung, dass nach englischem Recht gegründete Gesellschaften mit tatsächlichem Verwaltungssitz in Deutschland sich nach dem Ausstritts Großbritanniens aus der EU nicht weiter auf die Niederlassungsfreiheit und die damit verbundene Anwendbarkeit der Gründungstheorie berufen können. Vielmehr könne die Gesellschaft nach der in Deutschland vorherrschenden sog. Sitztheorie bestenfalls als Gesellschaft deutschen Rechts aufgefasst werden. Da die englische Limited nicht den deutschen Gründungsvorschriften für GmbHs entspricht kommt nur eine Personengesellschaft in Form einer OHG (Offen Handelsgesellschaft) in Betracht. Existiert nur ein Gesellschafter soll die Limited erlöschen und die Aktiva und Passiva wachsen dem Gesellschafter persönlich an.

Rechtsfolgen

Die rechtlichen Folgen dieser Rechtsprechung sind weitreichend. Durch die automatische Umwandlung in eine OHG wird den Gesellschaftern der Limited die Haftungsbegrenzung auf das Gesellschaftsvermögen entrissen und sie haften fortan für die Verbindlichkeiten persönlich. Noch verheerender können die Folgen sein, wenn die Gesellschaft sich aufgrund der Alleingesellschafterstellung auflöst und dadurch in steuerlichen Hinsicht stille Reserven der Bilanz aufgedeckt werden.

Registerrechtlich führt die Sichtweise des OLG München dazu, dass die inländischen Zweigniederlassungen der „deutschen“ Limiteds aus dem Handelsregister zu löschen sind und stattdessen eine OHG oder ein eingetragenes Kaufmannsunternehmen zu registrieren ist. Der Nachweis des Erlöschens mag man unter Bezugnahme auf das OLG München damit führen können, dass in England lediglich eine Briefkastenadresse besteht und sich daher der tatsächliche Verwaltungssitz in Deutschland befindet.

Haben Sie zu diesem Thema Fragen oder Anregungen? Dann sprechen Sie meine Mitarbeiter oder mich gerne an.

Dr. Hannes Klühs

5 Nov, 2021

Weitere Themen

Immobilienrecht
Brücker und Klühs Akten
Besonderheiten im Grundstückskaufvertrag bei mitveräußerten Photovoltaikanlagen

Besonderheiten im Grundstückskaufvertrag bei mitveräußerten Photovoltaikanlagen

Wird eine bestehende Aufdach Photovoltaikanlage mitveräußert, muss dies im Grundstückkaufvertrag ausdrücklich geregelt werden. Auf diese Weise muss sich der Erwerber nicht auf gesetzliche Vermutungen verlassen, es können noch bestehende Gewährleistungs- und Garantieansprüche des Verkäufers mitübertragen und die Überleitung des existierenden Stromeinspeisungsvertrags geregelt werden. Schließlich kann die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer gesenkt werden.

Mehr

Steuerrecht
Schenkungsteuer durch Gewährung eines niedrig verzinslichen Darlehens

Schenkungsteuer durch Gewährung eines niedrig verzinslichen Darlehens

Wird bei Zahlungsverpflichtungen ein Zinsverzicht vereinbart oder sich auf einen lediglich symbolischen Zins geeinigt, besteht das Risiko einer schenkungsteuerlichen Erfassung. Die Finanzverwaltung und die untergerichtliche Rechtsprechung sieht in der Einräumung eines zu niedrig verzinsten Darlehens eine freigebige Zuwendung nach § 7 Abs. 1 ErbStG.

Mehr

SteuerrechtUnternehmensrecht
Notarieller Berichtigungsvermerk zu einem Gewinnabführungsvertrag hat keine steuerliche Rückwirkung

Notarieller Berichtigungsvermerk zu einem Gewinnabführungsvertrag hat keine steuerliche Rückwirkung

Was passiert, wenn die notarielle Urkunde einen offensichtlichen Fehler oder eine Lücke enthält? Solche offensichtliche Unrichtigkeiten können auch nachträglich durch einen vom Notar zu unterschreibenden Nachtragsvermerk richtiggestellt werden (§ 44a Abs. 2 BeurkG). Der BFH hat nun in steuerlichen Hinsicht eine rückwirkende Wirkung eines derartigen Vermerks abgelehnt.

Mehr

Notare internUnternehmensrecht
Digitalization of the Notary’s Office Part 2 – Online Video Notarization or Certification

Digitalization of the Notary’s Office Part 2 – Online Video Notarization or Certification

Since August 1, 2022, it has been possible to establish a GmbH or a UG (limited liability company) in a newly created video notarization procedure and to pass the accompanying resolutions at the same time (appointment of managing directors). In addition, applications to most public registers (commercial register, register of cooperatives or partnership register) can now be certified online.

Mehr

Unternehmensrecht
Brücker und Klühs Notare
Notarielle Beurkundungserfordernisse bei Wandeldarlehensvereinbarungen

Notarielle Beurkundungserfordernisse bei Wandeldarlehensvereinbarungen

Da mit dem Abschluss des Wandeldarlehensvertrags weder eine unmittelbare Kapitalerhöhung verbunden, noch eine direkte Übernahme vom Geschäftsanteilen verbunden ist, wurde auch bei einer GmbH bisher eine Beurkundungspflicht gemeinhin abgelehnt. Das OLG Zweibrücken hat nun den gegensätzlichen Standpunkt vertreten und eine Wandeldarlehensvereinbarung mit Wandlungsverpflichtung mangels Beglaubigung gem. § 55 Abs. 1 GmbHG für formnichtig erklärt. Für die Praxis ergeben sich aus der Entscheidung erhebliche Haftungsrisiken.

Mehr

Nachfolgeplanung und Vorsorge
Brücker und Klühs Notare
Zulässigkeit von In-sich-Geschäften des Testamentsvollstreckers

Zulässigkeit von In-sich-Geschäften des Testamentsvollstreckers

Nach der Rechtsprechung spricht der Umstand, dass der Erblasser einen Miterben zum Testamentsvollstrecker berufen hat, dafür, dass eine Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens (§ 181 BGB) gewollt war. Dies hat kürzlich auch noch einmal das OLG Köln (Beschluss vom 05.10.2022 – 2 Wx 195/22) bestätigt.

Mehr

ImmobilienrechtSteuerrecht
Brücker und Klühs Notare
Spekulationssteuer bei Veräußerung eines durch Erbteilserwerb angeschafften Grundstücksanteils

Spekulationssteuer bei Veräußerung eines durch Erbteilserwerb angeschafften Grundstücksanteils

Auch bei einem entgeltlichen Grundstückserwerb von den Miterben im Zusammenhang mit einem Erbfall ist zu beachten, dass darin in der Regel steuerlich eine Anschaffung liegt, die bei einer Veräußerung innerhalb der Spekulationsfrist zu einer Besteuerung des Veräußerungsgewinns führen kann. Das FG München hat dies kürzlich für einen Fall entschieden, in dem ein Miterbe die Erbanteile am Gesamtnachlass von den anderen Erben und damit mittelbar auch deren Mitbeteiligung an den im Nachlass befindlichen Grundstücke erworben hatte.

Mehr

Unternehmensrecht
Außerordentliche Kündigung wegen Verschmelzung des Vertragspartners

Außerordentliche Kündigung wegen Verschmelzung des Vertragspartners

Mit einer Verschmelzung nach § 2 UmwG bezwecken die hieran beteiligten Rechtsträger nicht selten die Herbeiführung der sog. Gesamtrechtsnachfolge. Diese gilt auch Vertragsverhältnisse. Die Rechtsprechung gewährt jedoch ein Sonderkündigungsrecht, wenn die Vertragsfortsetzung für den Vertragspartner unzumutbar ist.

Mehr

Notare internUnternehmensrecht
Datenschutz im Handelsregister

Datenschutz im Handelsregister

Durch eine Gesetzesänderung zur Umsetzung der EU-Digitalisierungsrichtlinie sind im Online-Portal der Handels- Genossenschafts-, Partnerschafts- und Vereinsregister seit 1. August 2022 sämtliche Inhalte ohne vorherige Registrierung und kostenfrei abrufbar. Das dadurch virulent gewordene Datenschutzproblem führte zu einer Änderung der Handelsregisterverordnung und bedingt eine angepasste Verfahrensweise im Notariat.

Mehr

Nachfolgeplanung und Vorsorge
Keine Sittenwidrigkeit eines Pflichtteilserlasses durch einen Sozialhilfeempfänger

Keine Sittenwidrigkeit eines Pflichtteilserlasses durch einen Sozialhilfeempfänger

Bereits im Jahr 2011 hat der BGH entschieden, der zu Lebzeiten des Erblassers beurkundete Pflichtteilsverzicht eines behinderten Sozialleistungsbeziehers sei grundsätzlich nicht sittenwidrig. Nunmehr hat mit dem OLG Hamm ein erstes Obergericht diese Rechtsprechung auf einen nach dem Tod des Erblassers gegenüber den Erben erklärten Pflichtteilserlass übertragen.

Mehr