Auflösung der Ehe führt nicht immer zur Unwirksamkeit einer letztwilligen Verfügung

Setzen sich Ehegatten in einem Erbvertrag oder gemeinschaftlichen Testament wechselseitig zu Erben ein, so besteht die Vermutung, dass die Erbeinsetzung in dem Moment unwirksam wird, in dem die Ehe aufgelöst wird (§ 2077 Abs. 1 Satz 1 BGB). Das bedeutet, dass im Fall einer Scheidung nicht zwingend der Erbvertrag oder das gemeinschaftliche Testament aufgehoben oder widerrufen werden muss, um deren Rechtswirkungen zu beseitigen.

OLG Rostock zur Reichweite der Vermutung

Einen hinsichtlich der Reichweite dieser Vermutung interessanten Fall hatte nun das OLG Rostock zu entscheiden (Beschl. v. 13.07.2021, Az. 3 W 80/20). Der Erblasser errichtete im Jahr 2000 mit seiner späteren Ehefrau einen Erbvertrag, in dem sie sich gegenseitig zu Erben bestimmten. Im Jahr 2006 wurde die Ehe wieder geschieden. Nachdem der Erblasser im Jahr 2017 verstarb berief sich dessen einziger Sohn gegenüber der vormaligen Ehefrau darauf, deren Erbeinsetzung im Erbvertrag sei gemäß § 2077 BGB aufgrund der zwischenzeitlichen Scheidung unwirksam.

§ 2077 BGB gilt nicht für nichteheliche Lebenspartner

Im Verfahren zu beantworten war daher die Frage, wie es sich auswirkt, dass der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung des Erbvertrags noch nicht verheiratet gewesen ist. Das OLG will dabei die Auslegungsregel des § 2077 BGB im Gegensatz zu Verlobten nicht auf Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft anwenden. Während die Ehe und das vorbereitende Verlöbnis im Allgemeinen auf eine lebenslange familiäre Bindung ausgelegt seien, werde eine nichteheliche Lebensgemeinschaft in der Regel ohne rechtliche Bindung und ohne bestimmte Dauer eingegangen. Ohne Auslegungsregel musste das Gericht daraufhin den tatsächlichen Willen des Erblassers ermitteln. Da im Erbvertrag keine Anzeichen auf eine spätere Heirat enthalten waren, hielt es der Senat für überwiegen wahrscheinlich, dass es der Erblasser auch dann bei dem Erbvertrag belassen hätte, wenn er eine spätere Trennung vorhergesehen hätte.

Fazit

Auch wenn man in konkreten Fall die Ermittlung des hypothetischen Erblasserwillen durch das Gericht kritisch hinterfragen kann, so zeigt dieser Fall wieder einmal exemplarisch, dass man es insbesondere im Erbrecht nie auf die Auslegung von letztwilligen Verfügungen ankommen lassen sollte. Unabhängig vom Eingreifen gesetzlicher Auslegungsregelungen muss daher in der letztwilligen Verfügung immer eine ausdrückliche Regelung für den Fall einer Trennung vorgesehen werden. Ist dies einmal nicht erfolgt, so sollten Mandanten im Rahmen eines Scheidungsverfahren in der Weise beraten werden, dass bestehende Erbverträge bzw. gemeinschaftliche Testamente aufzuheben bzw. zu widerrufen sind.

Haben Sie zu diesem Thema Fragen oder Anregungen? Dann sprechen Sie meine Mitarbeiter oder mich gerne an.

Dr. Hannes Klühs

11 Jan, 2022

Weitere Themen

Nachfolgeplanung und Vorsorge
Brücker und Klühs Notare
Testierunfähigkeit bei unter Betreuung stehenden Personen

Testierunfähigkeit bei unter Betreuung stehenden Personen

Nach § 11 Abs. 1 BeurkG soll ein Notar die Beurkundung ablehnen, wenn einem Beteiligten nach Überzeugung des Notars die erforderliche Geschäftsfähigkeit fehlt. Es verbietet sich jedoch jede generalisierende Betrachtung der Testierfähigkeit aufgrund einer angeordneten gesetzlichen Betreuung. Vielmehr gilt auch zugunsten von unter Betreuung stehenden Personen die allgemeine Vermutung, dass der Beteiligte geschäftsfähig ist.

Mehr

Immobilienrecht
Brücker und Klühs Eingangsbereich
Besichtigungsrecht einer Mietwohnung bei Wohnungsverkauf

Besichtigungsrecht einer Mietwohnung bei Wohnungsverkauf

Will ein Vermieter seine Wohnung verkaufen, so benötigt er zu diesem Zweck Zugang zum Mietobjekt, um Kaufinteressenten durch die Wohnung führen zu können. Der BGH hat nun festgehalten, dass die Verkaufsabsicht des Vermieters ein sachlicher Grund ist, der ein Zutritts- oder Besichtigungsrecht der Mietwohnung vermittelt, auch wenn dies nicht ausdrücklich im Mietvertrag festgehalten wurde. Dagegen kann sich der Mieter nur ausnahmsweise verteidigen, etwa wenn er durch die Besichtigung der Wohnung der Gefahr schwerwiegender Gesundheitsbeeinträchtigungen oder gar einer Lebensgefahr ausgesetzt würde.

Mehr

ImmobilienrechtSteuerrecht
Brücker und Klühs
Der Verzicht auf die Umsatzsteuerbefreiung im Immobilienkauf bei Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts

Der Verzicht auf die Umsatzsteuerbefreiung im Immobilienkauf bei Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts

Die Aufnahme einer Umsatzsteueroption erfolgt in notariellen Grundstückskaufverträgen regelmäßig ausschließlich zur Wahrung der von der Finanzverwaltung geforderten Form des § 311b BGB, führt aber nicht dazu, dass die Umsatzsteuer Bestandteil des Kaufpreises würde. In denjenigen Fällen, in denen ein gemeindliches Vorkaufsrecht in Betracht kommt, kann es sich anbieten, für eine dementsprechende Bindung der Gemeinde in der Urkunde den Nettopreis zuzüglich betragsmäßig aufgeführter Mehrwertsteuer auszuweisen und den Bruttobetrag als Kaufpreis zu vereinbaren.

Mehr

Unternehmensrecht
Registeranmeldungen durch zukünftige Geschäftsführer

Registeranmeldungen durch zukünftige Geschäftsführer

In der notariellen Praxis wollen Beteiligte aus Zeitgründen häufig bereits eine Handelsregisteranmeldung unterschreiben, ohne dass die für Einreichung erforderlichen Unterlagen oder Voraussetzungen vorliegen. Das OLG Brandenburg hat nun für die Anmeldung eines Geschäftsführerwechsels entschieden, dass diese erst nach Beschlussfassung durch die Gesellschafter unterzeichnet werden kann.

Mehr

Immobilienrecht
Rechtsfolgen eines Käuferirrtums über die Zugehörigkeit eines Grundstücks zum Kaufgegenstand

Rechtsfolgen eines Käuferirrtums über die Zugehörigkeit eines Grundstücks zum Kaufgegenstand

Werden dem Notar durch die Beteiligten und ggf. den beauftragten Makler die zu verkaufenden Grundstücke nur unvollständig mitgeteilt, können einzelne Flurstücke bei der Beurkundung vergessen werden. Schlimmer sind diejenigen Fälle, in denen nur eine Seite irrtümlich von der Zugehörigkeit eines Flurstücks zum Kaufgegenstand überzeugt ist. Hier hat der BGH nun Leitlinien aufgestellt.

Mehr

Immobilienrecht
Heilung eines Verstoßes gegen den Halbteilungsgrundsatz durch abweichende Rechnungsstellung

Heilung eines Verstoßes gegen den Halbteilungsgrundsatz durch abweichende Rechnungsstellung

Ein Verstoß gegen den Halbteilungsgrundsatz des § 656c BGB führt nach herrschender Meinung zu einer Unwirksamkeit des Maklervertrags auf der Erwerberseite. Nach der Rechtsprechung kann der Makler den Verstoß nicht dadurch heilen, indem er die Provision schlussendlich doch paritätisch einfordert.

Mehr

Unternehmensrecht
Löschung personenbezogener Daten aus dem Handelsregister

Löschung personenbezogener Daten aus dem Handelsregister

Das Problem der Datensicherheit im Handelsregisterverfahren wurde zuletzt durch die Gesetzesänderung zur Umsetzung der EU-Digitalisierungsrichtlinie in das Bewusstsein der Betroffenen gerückt. Erste Entscheidungen von Obergerichten lehnen jedoch nachträgliche Löschung von Daten oder Schwärzung von Dokumenten ab. Der BGH und ggf. auch erneut der Gesetzgeber werden sich mit dem Thema beschäftigen müssen.

Mehr

Immobilienrecht
Folgen der Nichtvorlage eines Energieausweises beim Immobilienverkauf nach dem GEG

Folgen der Nichtvorlage eines Energieausweises beim Immobilienverkauf nach dem GEG

Die gesetzlichen Anforderungen zum Energieausweis sind durch die Einführung des GEG nochmals verschärft worden. Ein Verstoß gegen die Vorgaben kann sowohl ein Bußgeld, als auch wettbewerbsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Auswirkungen auf dessen Maklerlohn hat ein entsprechender Verstoß durch den Makler jedoch nicht. Auch der notarielle Kaufvertrag kann unabhängig von der Vorlage des Energieausweises beurkundet werden.

Mehr

Immobilienrecht
Brücker und Klühs Notare
Ohne Kernsanierung keine Haftung für unrenovierte Altbausubstanz

Ohne Kernsanierung keine Haftung für unrenovierte Altbausubstanz

Werden Altbauimmobilien saniert und weiterverkauft, stellt sich die Frage der Mängelhaftung für die vom Umbau unberührt gebliebene Altbausubstanz. Für diese haftet der Bauträger nur dann, wenn er sich zu Bauleistungen verpflichtet, die insgesamt nach Umfang und Bedeutung Neubauarbeiten vergleichbar sind.

Mehr

Immobilienrecht
Deklaratorische Maklerklausel führt nicht zur Notarkostenhaftung des Maklers

Deklaratorische Maklerklausel führt nicht zur Notarkostenhaftung des Maklers

Für Immobilienmakler ist es zur Vermeidung eigener Kostenhaftung wichtig, bei Beauftragung eines Kaufvertragsentwurfes unmissverständlich zum Ausdruck zu bringen, welche Vertragspartei Auftraggeber ist. Ist dies jedoch erfolgt, können Notare das schlichte Verlangen des Maklers nach einer deklaratorischen Maklerklausel nicht zum Anlass nehmen, den Makler im Fall der Nichtbeurkundung des Vertrags kostenrechtlich zu belangen.

Mehr