Mit einer Verschmelzung nach § 2 UmwG bezwecken die hieran beteiligten Rechtsträger nicht selten die Herbeiführung der sog. Gesamtrechtsnachfolge. Mit Eintragung der Verschmelzung beim übernehmenden/neu gegründeten Rechtsträger wird die Verschmelzung wirksam und alle Aktiva und Passiva des übertragenden Rechtsträgers gehen ohne weiteres, d.h. ohne Einzelübertragungsakt auf den übernehmenden/neu gegründeten Rechtsträger über (vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG). Die Gesamtrechtsnachfolge ist das Kernstück der Verschmelzung. Für die Praxis ist nicht selten entscheidend, dass die Gesamtrechtsnachfolge auch die Überleitung von ganzen Verträgen ermöglicht, und zwar grundsätzlich ohne die Zustimmung des jeweiligen Vertragspartners.
Ausnahme Sonderkündigungsrechte
Die Gesamtrechtsnachfolge gilt jedoch anerkanntermaßen nicht uneingeschränkt. So gehen beispielsweise öffentlich-rechtliche personalbezogene Erlaubnisse oder eine Position in Vergabeverfahren nicht auf den aufnehmenden Rechtsträger über. Darüber hinaus sind die Beteiligten von dem Notar darauf hinzuweisen, dass Verträge, die die beteiligten Rechtsträger abgeschlossen haben, für den Fall der Umwandlung Sonderkündigungs-/Rücktrittsrechte enthalten können. Eine Sonderkonstellation regelt § 21 UmwG. Die Rechtsprechung hat jedoch auch in Fällen, in denen ein Sonderkündigungsrecht nicht ausdrücklich eingeräumt worden war, teilweise ein solches Recht anerkannt.
OLG München für sehr großzügiges Sonderkündigungsrecht mit Willkürgrenze
In diese Rechtsprechung zum Kündigungsrecht bei einer Verschmelzung des Vertragspartners reiht sich auch eine neuere Entscheidung des OLG München (Urteil vom 29.8.2022 – 33 U 4846/21) ein. Die Beklagte hatte mit einer GmbH einen Beratungsvertrag sowie einen Vertrag über die Erstellung einer Interessenanalyse für ein Fitnessstudio abgeschlossen. Die GmbH wurde sodann auf die Klägerin verschmolzen. Die Beklagte kündigte den Vertrag außerordentlich mit der Begründung, Grundvoraussetzung der Vertragsunterzeichnung sei gewesen, dass keinerlei Berührungspunkte mit der I-GmbH bestünden, die inzwischen ebenfalls auf die Klägerin verschmolzen worden war.
Das OLG wies die Vergütungsklage der Klägerin ab, da die Kündigung der Beklagten wirksam sei. Zwar berechtigten die Verschmelzungen an sich nicht zur Kündigung. Vielmehr bedürfe es besonderer Umstände, die die weitere Erbringung der Dienste durch den übernehmenden Rechtsträger unzumutbar machten. Dabei setzte das Gericht die Anforderungen an die Begründung einer solchen Sonderkündigung bewusst niedrig an und ließ es ausreichen, dass die Beklagte vorgetragen hatte, mit der I-GmbH nichts zu tun haben zu wollen, insbesondere weil sie eine frühere Vertragsbeziehung mit der I-GmbH einmal gekündigt hatte. Diese unternehmerische Entscheidung sei nur am Maßstab der Willkür zu prüfen.
Fazit
Das OLG München setzt die sehr großzügige Rechtsprechung zum Sonderkündigungsrecht bei Verschmelzungen fort. Diese schränkt den im Umwandlungsrecht geltenden Grundsatz des Übergangs sämtlicher Rechte und Pflichten kraft Gesetzes sehr deutlich ein. Dies kann für den übernehmenden Rechtsträger insbesondere dann unangenehm sein, wenn er mit der Fortführung des übernommenen, aber nun kündbaren Vertrages gerechnet hat. Beratende Rechtsanwälte und Notare sollten die Beteiligten frühzeitig auf diese Konsequenzen Aufmerksam machen.
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