In unserem Blog hatten wir vor Kurzem über die Problematik fehlgeschlagener sog. lenkender Ausschlagungen berichtet. Zum Teil erklären Erben aber auch bei werthaltigen Nachlässen die Ausschlagung, um durch ihren Wegfall aus der Erbfolge eine andere, als Erbe nachrückende Person zu begünstigen (sog. lenkende Erbausschlagung). Hierbei unterlaufen insbesondere rechtlich nicht beratenen Erben immer wieder gravierende Fehler in Bezug auf die Person des durch die Ausschlagung begünstigten Erben, sodass sich dann die Folgefrage ergibt, ob die Ausschlagenden ihre Erklärung wegen des Rechtsirrtums anfechten können.
Zwischen des OLGs umstrittene Rechtsfrage nun durch den BGH entschieden
Die im vorangegangenen Blogbeitrag vorgestellte Entscheidung des OLG Hamm (Beschluss vom 21.04.2022, Az. I-15 W 51/19), wurden nun vom BGH bestätigt. Es ging um eine für Notare bekannte Konstellation. Der überlebende Ehegatte hatte nach gesetzlicher Erbfolge neben den gemeinsamen Kindern der Eheleute geerbt. Sämtliche Kinder schlugen das Erben aus, um mutmaßlich dem überlebenden Elternteil die Alleinerbschaft zukommen zu lassen. Dabei wurde übersehen, dass dem überlebenden Ehegatten gemäß § 1931 Abs. 2 BGB nur dann die gesamte Erbschaft zufällt, wenn weder Verwandte der ersten oder der zweiten Ordnung noch Großeltern vorhanden sind. Im vorliegenden Fall existierten Halbgeschwister des Erblassers.
Irrtum über Nächstberufenen nur Irrtum über mittelbare Rechtsfolge
Das OLG und nun auch der BGH halten den Irrtum des Erben über die Person des Nächstberufenen für einen bloßen Motivirrtum über eine mittelbare Rechtsfolge und damit als unbeachtlich. Die unmittelbare Rechtsfolge einer Ausschlagung werden in § 1953 BGB geregelt, wonach der Ausschlagende die ihm zugedachte Rechtsstellung aufgibt (§ 1953 Abs. 1 BGB) und diese Rechtsstellung dem Nächstberufenen anfällt (§ 1953 Abs. 2 BGB). Davon unterscheidet der BGH die Frage, wer Erbe nach § 1953 Abs. 2 BGB ist. Die konkrete Bestimmung der nachrückenden Person regele diese Bestimmung gerade nicht. Diese richte sich nach den Vorschriften über die gesetzliche Erbfolge (§§ 1924 ff. BGB). Entgegen der Auffassung einiger OLGs führe auch der Umstand, dass der Ausschlagende den Anfall der Erbschaft an eine bestimmte Person als das primäre Ziel seiner Ausschlagung und seinen Wegfall als bloßes Mittel zu diesem Zweck erachte, nicht dazu, dass aus einer mittelbaren eine unmittelbare Rechtsfolge der Ausschlagung werde.
Fazit
Die Entscheidung des BGH kann für nicht oder schlecht beratene Erben fatale Konsequenzen haben. Lenkende Erbausschlagungen sollten – wenn überhaupt – ausschließlich nach einer umfassenden rechtlichen Beratung durch einen Rechtsanwalt oder Notar erfolgen. Notare sollten vor der Beglaubigung einer Ausschlagung künftig noch mehr sensibilisiert sein und bei Indizien für eine lenkende Ausschlagung das geplante Ziel der Beteiligten kritisch überprüfen.
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