Ein Vertrag, durch den sich eine Aktiengesellschaft zur Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens verpflichtet, ohne dass die Übertragung unter die Vorschriften des Umwandlungsgesetzes fällt, bedarf gemäß § 179a AktG analog zu einer Satzungsänderung eines Beschlusses der Hauptversammlung. Gestützt auf ein früheres Urteil des BGH aus dem Jahr 1995 (Az. II ZR 24/94) wurde durch die herrschende Meinung in Literatur und Rechtsprechung aus dieser Vorschrift ein allgemeiner verbandsrechtlicher Grundsatz abgeleitet, der nicht nur auf die GmbH, sondern auch auf Personengesellschaften entsprechend anwendbar sein sollte.
Risiko der unerkannten Unwirksamkeit vom Grundstücksgeschäften?
Diese Ausweitung des Anwendungsbereichs hatte erhebliche Konsequenzen für die notarielle Praxis. Der Notar muss vor Beurkundung die Vertretungsbefugnis der Vertretungsorgane feststellen. Mangels Kenntnis der genauen Zusammensetzung des Gesellschaftsvermögens konnte er aber in der Regel nicht prüfen, ob bei einem Asset Deal die Zustimmung der Gesellschafter erforderlich war. Insbesondere bei Ein-Objektgesellschaften, die lediglich ein Grundstück verwalteten, ergab sich im Verkaufsfall bei Nichtbeachtung des Beschlusserfordernisses ein beträchtliches Risiko der unerkannten Unwirksamkeit des zugrundliegenden Grundstückskaufvertrags.
Keine analoge Anwendbarkeit des § 179a AktG auf GmbH
Bereits mit seiner Entscheidung vom 8.1.2019 (Az. II ZR 364/18) hatte der BGH dann jedoch eine Abkehr von seiner Rechtsprechung aus dem Jahr 1995 eingeleitet und festgestellt, § 179a AktG sei auch nicht analog auf die GmbH anwendbar. Die Vertretungsorgane einer GmbH unterlägen im Vergleich zum Vorstand einer Aktiengesellschaft einer größeren Einflussnahme durch die Gesellschafter, sodass es für Gesamtvermögensgeschäfte eines expliziten Beschlusserfordernisses nicht bedürfe.
Auch keine entsprechende Anwendung auf Personengesellschaften
Nunmehr hat der BGH mit Urteil vom 15.02.2022 (Az. II ZR 235/20) unter ausdrücklicher Aufgabe seiner vorherigen Rechtsprechung auch für Personengesellschaften wie die KG oder OHG entschieden, dass auch wenn eine solche Gesellschaft ihr gesamtes Vermögen veräußert, § 179a AktG nicht anzuwenden ist. Die Vorschrift habe einen lediglich auf die Aktionäre ausgerichteten Schutzzweck. Grundsätzlich müsse Rechtsverkehrs darauf vertrauen können, dass die im Register verlautbarten Vertretungsorgane die betreffende Gesellschaft auch wirksam verpflichten können. Anders sein dies nur bei einem für die Erwerberseite erkennbaren Missbrauch der Vertretungsmacht. Dieser dürfte jedoch regelmäßig, wie in dem zu entscheidenden Sachverhalt, nicht nachweisbar sein.
Fazit
Die Entscheidung des BGH bringt für die Transaktionspraxis nunmehr weitgehende Rechtssicherheit. Allenfalls bleibt offen, ob der BGH Publikumspersonengesellschaften den Aktiengesellschaften gleichstellen wird und § 179a AktG für anwendbar erklärt. In seiner Entscheidung aus dem Jahr 2019 hat der BGH jedoch klargestellt, dass der Geschäftsführer einer GmbH gemäß § 49 Abs. 2 GmbHG bei besonders bedeutsamen Geschäften verpflichtet ist, die Zustimmung der Gesellschafterversammlung von sich aus einzuholen. Selbst ohne ausdrücklichen Zustimmungsvorbehalt im Gesellschaftsvertrag müsse der Geschäftsführer deshalb für einen Vertrag, durch den sich die GmbH zur Übertragung des gesamten Gesellschaftsvermögens verpflichtet, die Zustimmung der Gesellschafterversammlung einholen. Eine Verletzung dieser Pflicht führt jedoch allenfalls im Innenverhältnis zu einer Schadenersatzpflicht des Vertretungsorgans und schlägt nicht wie bei § 179a AktG unmittelbar auf das abgeschlossene Geschäft durch.
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