Nachweis der Erbfolge im Grundbuchverfahren durch öffentliche Urkunde bei Verwirkungsklauseln

Notarielle letztwillige Verfügungen, sei es Testament oder Erbvertrag, haben einige Vorzüge. Sie reichen von der erhöhten Beweisfunktion der Urkunde, der Feststellung der Testierfähigkeit durch den Notar über die rechtssichere Formulierung des Erblasserwillens bis zur zweckmäßigen Verwahrung und Registrierung der Verfügung. Neben diesen Punkten ist für Nachlässe, in denen sich Immobilien oder Gesellschaften befinden, insbesondere auch der Nachweis der Erbfolge durch öffentliche Urkunde entscheidend.

Nachweis der Erbfolge gemäß § 35 GBO durch eröffnete letztwillige Verfügung

Nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO genügt für den Nachweis der Erbfolge im Grundbuchverfahren die Vorlage der Niederschrift über die Eröffnung einer letztwilligen Verfügung, wenn die Erbfolge auf einer Verfügung von Todes wegen beruht, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist. In diesem Fall kann die zeit- und kostenintensive Beantragung eines Erbscheins entbehrlich sein, soweit das Grundbuchamt die Erbfolge durch diese Urkunde für nachgewiesen erachtet (§ 35 Abs. 1 Satz 3 GBO).

Problem bei Pflichtteilsstraf- und Scheidungsklauseln

Dieser letztgenannte Nachweisaspekt steht immer dann in Frage, wenn der Erblasser in der letztwilligen Verfügung zwar eine eindeutige Erbregelung zugunsten eines oder mehrerer Erben trifft, diese Erbeinsetzung jedoch für bestimmte nachträgliche Sachverhaltsvarianten wieder entfallen soll (sog. Verwirkungsklauseln). Praktisch relevant sind dabei insbesondere sog. Pflichtteilsstraf- und Scheidungsklauseln.

Bei Pflichtteilsstrafklauseln oftmals nur noch Erbschein möglich

Pflichtteilsstrafklauseln existieren in verschiedenartigster Ausprägung. Grundsätzlich handelt es sich dabei um Regelungen, nach denen der eingesetzte Schlusserbe sein Erbrecht verlieren soll, wenn er nach dem ersten Erbfall (wechselseitige Erbeinsetzung der Ehegatten) den Pflichtteil verlangt. Über die Auslegungsregel des § 2075 BGB führt dies dazu, dass die an sich vorgesehene Erbeinsetzung durch den Umstand oder das Verhalten auflösend bedingt ist, an welchen oder welches die Klausel anknüpft. Bei einfachen Pflichtteilsklauseln muss das Grundbuchamt nach herrschender Meinung entweder die Vorlage eines Erbscheins verlangen oder wenigstens notariell beglaubigte Erklärungen der Erben, dass sie den Pflichtteil nicht geltend gemacht haben. In einem aktuellen Fall hat das OLG Saarbrücken (Beschl. v. 13.12.2021, Az. 5 W 70/21) bei einer etwas komplexeren Verwirkungsklausel sogar auf die Vorlage eines Erbscheins bestanden und die eidesstattliche Versicherung eines Miterben, keiner der Erben habe den Erbvertrag angefochten oder seinen Pflichtteil geltend gemacht, nicht ausreichen lassen. Das Gericht begründet dies mit dem Umstand, dass die Erklärung nicht von allen Erben abgegeben wurde und der in der Verwirkungsklausel verwendete Begriff der „Anfechtung“ so unklar sei, dass offenbleibe, welches konkrete Verhalten dadurch aus Sicht der Erblasser sanktioniert werden solle.

Scheidungsklauseln nach dem BGH dagegen unbedenklich

Stellt die Verwirkungsklausel dagegen entsprechend der im Gesetz ohnehin vorgesehenen Regelung des § 2077 BGB allein auf die vor dem Erbfall erfolgte Ehescheidung der sich zu Erben einsetzenden Ehegatten ab, so steht dies nach einer aktuellen Entscheidung des BGH (Beschl. v. 17.02.2022, Az. V ZB 14/21) einem Nachweis der Erbfolge gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO solange nicht entgegen, bis konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine Scheidung erfolgt ist. Das gilt nach dem BGH sogar dann, wenn die Scheidungsklausel abweichend von § 2077 Abs. 1 Satz 2 BGB vorsieht, dass die letztwillige Verfügung bereits dann unwirksam sein soll, wenn der überlebende Ehegatte einen Scheidungsantrag gestellt hat. Der Senat begründet seine großzügige Linie im Wesentlichen mit dem Argument, dass anderenfalls der Anwendungsbereich des § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO bei Ehegatten leer laufen würde.

Fazit

Verwirkungsklauseln jeglicher Ausgestaltung sind bei Erblassern beliebt, da man auf diese Weise Einfluss auf das zukünftige Verhalten der potentiellen Erben gewinnt. Notare sind jedoch gut beraten, auf die Rückwirkungen in Bezug auf die Nachweiswirkungen der letztwilligen Verfügung hinzuweisen und falls auf die Beurkundung der Klausel bestanden wird, dieselbe so klar und unmissverständlich zu formulieren, dass der Nichteintritt später im Grundbuchverfahren durch eidesstattliche Versicherung nachweisbar ist. Anderenfalls verspielt der Erblasser den Kostenvorteil, den die Eröffnung eines notariellen Testaments gegenüber einem Erbscheinsverfahren hat.

Haben Sie zu diesem Thema Fragen oder Anregungen? Dann sprechen Sie meine Mitarbeiter oder mich gerne an.

Dr. Hannes Klühs

7 Jun, 2022

Weitere Themen

Immobilienrecht
Brücker und Klühs Akten
Besonderheiten im Grundstückskaufvertrag bei mitveräußerten Photovoltaikanlagen

Besonderheiten im Grundstückskaufvertrag bei mitveräußerten Photovoltaikanlagen

Wird eine bestehende Aufdach Photovoltaikanlage mitveräußert, muss dies im Grundstückkaufvertrag ausdrücklich geregelt werden. Auf diese Weise muss sich der Erwerber nicht auf gesetzliche Vermutungen verlassen, es können noch bestehende Gewährleistungs- und Garantieansprüche des Verkäufers mitübertragen und die Überleitung des existierenden Stromeinspeisungsvertrags geregelt werden. Schließlich kann die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer gesenkt werden.

Mehr

Steuerrecht
Schenkungsteuer durch Gewährung eines niedrig verzinslichen Darlehens

Schenkungsteuer durch Gewährung eines niedrig verzinslichen Darlehens

Wird bei Zahlungsverpflichtungen ein Zinsverzicht vereinbart oder sich auf einen lediglich symbolischen Zins geeinigt, besteht das Risiko einer schenkungsteuerlichen Erfassung. Die Finanzverwaltung und die untergerichtliche Rechtsprechung sieht in der Einräumung eines zu niedrig verzinsten Darlehens eine freigebige Zuwendung nach § 7 Abs. 1 ErbStG.

Mehr

SteuerrechtUnternehmensrecht
Notarieller Berichtigungsvermerk zu einem Gewinnabführungsvertrag hat keine steuerliche Rückwirkung

Notarieller Berichtigungsvermerk zu einem Gewinnabführungsvertrag hat keine steuerliche Rückwirkung

Was passiert, wenn die notarielle Urkunde einen offensichtlichen Fehler oder eine Lücke enthält? Solche offensichtliche Unrichtigkeiten können auch nachträglich durch einen vom Notar zu unterschreibenden Nachtragsvermerk richtiggestellt werden (§ 44a Abs. 2 BeurkG). Der BFH hat nun in steuerlichen Hinsicht eine rückwirkende Wirkung eines derartigen Vermerks abgelehnt.

Mehr

Notare internUnternehmensrecht
Digitalization of the Notary’s Office Part 2 – Online Video Notarization or Certification

Digitalization of the Notary’s Office Part 2 – Online Video Notarization or Certification

Since August 1, 2022, it has been possible to establish a GmbH or a UG (limited liability company) in a newly created video notarization procedure and to pass the accompanying resolutions at the same time (appointment of managing directors). In addition, applications to most public registers (commercial register, register of cooperatives or partnership register) can now be certified online.

Mehr

Unternehmensrecht
Brücker und Klühs Notare
Notarielle Beurkundungserfordernisse bei Wandeldarlehensvereinbarungen

Notarielle Beurkundungserfordernisse bei Wandeldarlehensvereinbarungen

Da mit dem Abschluss des Wandeldarlehensvertrags weder eine unmittelbare Kapitalerhöhung verbunden, noch eine direkte Übernahme vom Geschäftsanteilen verbunden ist, wurde auch bei einer GmbH bisher eine Beurkundungspflicht gemeinhin abgelehnt. Das OLG Zweibrücken hat nun den gegensätzlichen Standpunkt vertreten und eine Wandeldarlehensvereinbarung mit Wandlungsverpflichtung mangels Beglaubigung gem. § 55 Abs. 1 GmbHG für formnichtig erklärt. Für die Praxis ergeben sich aus der Entscheidung erhebliche Haftungsrisiken.

Mehr

Nachfolgeplanung und Vorsorge
Brücker und Klühs Notare
Zulässigkeit von In-sich-Geschäften des Testamentsvollstreckers

Zulässigkeit von In-sich-Geschäften des Testamentsvollstreckers

Nach der Rechtsprechung spricht der Umstand, dass der Erblasser einen Miterben zum Testamentsvollstrecker berufen hat, dafür, dass eine Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens (§ 181 BGB) gewollt war. Dies hat kürzlich auch noch einmal das OLG Köln (Beschluss vom 05.10.2022 – 2 Wx 195/22) bestätigt.

Mehr

ImmobilienrechtSteuerrecht
Brücker und Klühs Notare
Spekulationssteuer bei Veräußerung eines durch Erbteilserwerb angeschafften Grundstücksanteils

Spekulationssteuer bei Veräußerung eines durch Erbteilserwerb angeschafften Grundstücksanteils

Auch bei einem entgeltlichen Grundstückserwerb von den Miterben im Zusammenhang mit einem Erbfall ist zu beachten, dass darin in der Regel steuerlich eine Anschaffung liegt, die bei einer Veräußerung innerhalb der Spekulationsfrist zu einer Besteuerung des Veräußerungsgewinns führen kann. Das FG München hat dies kürzlich für einen Fall entschieden, in dem ein Miterbe die Erbanteile am Gesamtnachlass von den anderen Erben und damit mittelbar auch deren Mitbeteiligung an den im Nachlass befindlichen Grundstücke erworben hatte.

Mehr

Unternehmensrecht
Außerordentliche Kündigung wegen Verschmelzung des Vertragspartners

Außerordentliche Kündigung wegen Verschmelzung des Vertragspartners

Mit einer Verschmelzung nach § 2 UmwG bezwecken die hieran beteiligten Rechtsträger nicht selten die Herbeiführung der sog. Gesamtrechtsnachfolge. Diese gilt auch Vertragsverhältnisse. Die Rechtsprechung gewährt jedoch ein Sonderkündigungsrecht, wenn die Vertragsfortsetzung für den Vertragspartner unzumutbar ist.

Mehr

Notare internUnternehmensrecht
Datenschutz im Handelsregister

Datenschutz im Handelsregister

Durch eine Gesetzesänderung zur Umsetzung der EU-Digitalisierungsrichtlinie sind im Online-Portal der Handels- Genossenschafts-, Partnerschafts- und Vereinsregister seit 1. August 2022 sämtliche Inhalte ohne vorherige Registrierung und kostenfrei abrufbar. Das dadurch virulent gewordene Datenschutzproblem führte zu einer Änderung der Handelsregisterverordnung und bedingt eine angepasste Verfahrensweise im Notariat.

Mehr

Nachfolgeplanung und Vorsorge
Keine Sittenwidrigkeit eines Pflichtteilserlasses durch einen Sozialhilfeempfänger

Keine Sittenwidrigkeit eines Pflichtteilserlasses durch einen Sozialhilfeempfänger

Bereits im Jahr 2011 hat der BGH entschieden, der zu Lebzeiten des Erblassers beurkundete Pflichtteilsverzicht eines behinderten Sozialleistungsbeziehers sei grundsätzlich nicht sittenwidrig. Nunmehr hat mit dem OLG Hamm ein erstes Obergericht diese Rechtsprechung auf einen nach dem Tod des Erblassers gegenüber den Erben erklärten Pflichtteilserlass übertragen.

Mehr