Persönliche Haftung des im Rechtsverkehr auftretenden Vertreters einer UG (haftungsbeschränkt)

Wurde die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) bei ihrer Einführung im Jahr 2008 noch belächelt und ihr mangels Eigenkapitalausstattung im Rechtsverkehr keine lange Halbwertszeit vorausgesagt, so stellt sich das Bild in der Zwischenzeit durchaus differenzierter da. Das erklärte Ziel des Gesetzgebers, der Verbreitung englischer Limited-Gesellschaften in Deutschland etwas entgegenzusetzen, wurde erreicht und gerade die Kombination mit der kostengünstigen Gründung mittels Musterprotokoll ist nicht nur für Holdinggesellschaften eine beliebte Gestaltung. Geblieben ist ein gewisses Misstrauen in das vorhandene Haftungskapital dieser Gesellschaftsform. Unter anderem deshalb schreibt § 5a Abs. 1 GmbHG vor, dass Gesellschaften, die das Mindeststammkapital von 25.000 € unterschreiten, in ihrer Firma abweichend von § 4 GmbHG die Bezeichnung „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ oder „UG (haftungsbeschränkt)“ führen müssen. 

Konsequenzen einer unkorrekten Firmierung im Rechtsverkehr

Vor diesem Hintergrund interessant sind die Konsequenzen eines Verstoßes gegen diese Firmierungsanforderung. Der BGH hatte hierzu kürzlich (Urteil vom 13.1.2022 – III ZR 210/20) folgenden Sachverhalt zu entscheiden:

Auf Grundlage einer Beratung durch den Beklagten im Jahr 2013 zeichnete der Kläger eine Beteiligung an einem Venture Capital-Fonds, die sich innerhalb weniger Jahre zum Totalverlust entwickelte. Der Beklagte war 2013 Prokurist der V UG (haftungsbeschränk) und seit dem Jahr 2015 deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer. Dem Kläger stellte sich der Beklagte als Inhaber der V UG (ohne den Zusatz „(haftungsbeschränkt)“) vor. Die auf Erstattung der geleisteten Zahlungen gerichtete Klage wegen fehlerhafter Anlageberatung des Beklagten, wurde in den Vorinstanzen mit dem Argument abgewiesen, der Anlageberatungsvertrag sei nicht mit dem Beklagten persönlich, sondern mit der V UG zustande gekommen und der Beklagte habe auch kein darüberhinausgehendes Vertrauen in Anspruch genommen.

Haftung des Handelnden nach Rechtsscheingrundsätzen

Der BGH hob das Urteil der Vorinstanz auf. Das OLG habe übersehen, dass eine unterlassene oder fehlerhafte Nutzung des Rechtsformzusatzes zu einer Eigenhaftung der handelnden Person führen könne. Er stützt sich dabei auf seine vorherige Rechtsprechung, wonach ein Vertreter einer GmbH – egal ob Geschäftsführer oder sonstiger Vertreter – wegen Verstoßes gegen § 4 GmbHG unter Rechtsscheingesichtspunkten wie ein Vertreter ohne Vertretungsmacht (§ 179 BGB) haftet, wenn er im Rechtsverkehr ohne Rechtsformzusatz das berechtigte Vertrauen des Geschäftsgegners auf die Haftung mindestens einer natürlichen Person hervorgerufen hat. Diese Judikatur überträgt er nun auf die UG (haftungsbeschränkt) und zwar sowohl für die Fälle, in denen lediglich der Haftungszusatz „(haftungsbeschränkt)“ weggelassen wird, als auch auf die Konstellationen, bei denen überhaupt kein Rechtsformzusatz verwendet wird. Der Beklagte könne zu seiner Entlastung beweisen, dass der Kläger die wahren Haftungsverhältnisse kannte oder kennen musste oder diese für ihn keine Rolle gespielt haben.

Fazit

Die Entscheidung verdeutlicht, dass der gesetzlich angeordnete Zwang zum Rechtsformzusatz keine bloße Formalie darstellt, sondern echte haftungsrechte Relevanz für die handelnden Personen entfalten kann. Geschäftsführern oder sonstigen Vertretern einer Unternehmergesellschaft ist daher dringend davon abzuraten, in der täglichen Korrespondenz oder bei Webemaßnahmen auf den Zusatz „(haftungsbeschränkt)“ zu verzichten oder die Firmierung auf andere Weise zu modifizieren.

Haben Sie zu diesem Thema Fragen oder Anregungen? Dann sprechen Sie meine Mitarbeiter oder mich gerne an.

Dr. Hannes Klühs

16 Dez, 2022

Weitere Themen

Immobilienrecht
Brücker und Klühs Akten
Besonderheiten im Grundstückskaufvertrag bei mitveräußerten Photovoltaikanlagen

Besonderheiten im Grundstückskaufvertrag bei mitveräußerten Photovoltaikanlagen

Wird eine bestehende Aufdach Photovoltaikanlage mitveräußert, muss dies im Grundstückkaufvertrag ausdrücklich geregelt werden. Auf diese Weise muss sich der Erwerber nicht auf gesetzliche Vermutungen verlassen, es können noch bestehende Gewährleistungs- und Garantieansprüche des Verkäufers mitübertragen und die Überleitung des existierenden Stromeinspeisungsvertrags geregelt werden. Schließlich kann die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer gesenkt werden.

Mehr

Steuerrecht
Schenkungsteuer durch Gewährung eines niedrig verzinslichen Darlehens

Schenkungsteuer durch Gewährung eines niedrig verzinslichen Darlehens

Wird bei Zahlungsverpflichtungen ein Zinsverzicht vereinbart oder sich auf einen lediglich symbolischen Zins geeinigt, besteht das Risiko einer schenkungsteuerlichen Erfassung. Die Finanzverwaltung und die untergerichtliche Rechtsprechung sieht in der Einräumung eines zu niedrig verzinsten Darlehens eine freigebige Zuwendung nach § 7 Abs. 1 ErbStG.

Mehr

SteuerrechtUnternehmensrecht
Notarieller Berichtigungsvermerk zu einem Gewinnabführungsvertrag hat keine steuerliche Rückwirkung

Notarieller Berichtigungsvermerk zu einem Gewinnabführungsvertrag hat keine steuerliche Rückwirkung

Was passiert, wenn die notarielle Urkunde einen offensichtlichen Fehler oder eine Lücke enthält? Solche offensichtliche Unrichtigkeiten können auch nachträglich durch einen vom Notar zu unterschreibenden Nachtragsvermerk richtiggestellt werden (§ 44a Abs. 2 BeurkG). Der BFH hat nun in steuerlichen Hinsicht eine rückwirkende Wirkung eines derartigen Vermerks abgelehnt.

Mehr

Notare internUnternehmensrecht
Digitalization of the Notary’s Office Part 2 – Online Video Notarization or Certification

Digitalization of the Notary’s Office Part 2 – Online Video Notarization or Certification

Since August 1, 2022, it has been possible to establish a GmbH or a UG (limited liability company) in a newly created video notarization procedure and to pass the accompanying resolutions at the same time (appointment of managing directors). In addition, applications to most public registers (commercial register, register of cooperatives or partnership register) can now be certified online.

Mehr

Unternehmensrecht
Brücker und Klühs Notare
Notarielle Beurkundungserfordernisse bei Wandeldarlehensvereinbarungen

Notarielle Beurkundungserfordernisse bei Wandeldarlehensvereinbarungen

Da mit dem Abschluss des Wandeldarlehensvertrags weder eine unmittelbare Kapitalerhöhung verbunden, noch eine direkte Übernahme vom Geschäftsanteilen verbunden ist, wurde auch bei einer GmbH bisher eine Beurkundungspflicht gemeinhin abgelehnt. Das OLG Zweibrücken hat nun den gegensätzlichen Standpunkt vertreten und eine Wandeldarlehensvereinbarung mit Wandlungsverpflichtung mangels Beglaubigung gem. § 55 Abs. 1 GmbHG für formnichtig erklärt. Für die Praxis ergeben sich aus der Entscheidung erhebliche Haftungsrisiken.

Mehr

Nachfolgeplanung und Vorsorge
Brücker und Klühs Notare
Zulässigkeit von In-sich-Geschäften des Testamentsvollstreckers

Zulässigkeit von In-sich-Geschäften des Testamentsvollstreckers

Nach der Rechtsprechung spricht der Umstand, dass der Erblasser einen Miterben zum Testamentsvollstrecker berufen hat, dafür, dass eine Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens (§ 181 BGB) gewollt war. Dies hat kürzlich auch noch einmal das OLG Köln (Beschluss vom 05.10.2022 – 2 Wx 195/22) bestätigt.

Mehr

ImmobilienrechtSteuerrecht
Brücker und Klühs Notare
Spekulationssteuer bei Veräußerung eines durch Erbteilserwerb angeschafften Grundstücksanteils

Spekulationssteuer bei Veräußerung eines durch Erbteilserwerb angeschafften Grundstücksanteils

Auch bei einem entgeltlichen Grundstückserwerb von den Miterben im Zusammenhang mit einem Erbfall ist zu beachten, dass darin in der Regel steuerlich eine Anschaffung liegt, die bei einer Veräußerung innerhalb der Spekulationsfrist zu einer Besteuerung des Veräußerungsgewinns führen kann. Das FG München hat dies kürzlich für einen Fall entschieden, in dem ein Miterbe die Erbanteile am Gesamtnachlass von den anderen Erben und damit mittelbar auch deren Mitbeteiligung an den im Nachlass befindlichen Grundstücke erworben hatte.

Mehr

Unternehmensrecht
Außerordentliche Kündigung wegen Verschmelzung des Vertragspartners

Außerordentliche Kündigung wegen Verschmelzung des Vertragspartners

Mit einer Verschmelzung nach § 2 UmwG bezwecken die hieran beteiligten Rechtsträger nicht selten die Herbeiführung der sog. Gesamtrechtsnachfolge. Diese gilt auch Vertragsverhältnisse. Die Rechtsprechung gewährt jedoch ein Sonderkündigungsrecht, wenn die Vertragsfortsetzung für den Vertragspartner unzumutbar ist.

Mehr

Notare internUnternehmensrecht
Datenschutz im Handelsregister

Datenschutz im Handelsregister

Durch eine Gesetzesänderung zur Umsetzung der EU-Digitalisierungsrichtlinie sind im Online-Portal der Handels- Genossenschafts-, Partnerschafts- und Vereinsregister seit 1. August 2022 sämtliche Inhalte ohne vorherige Registrierung und kostenfrei abrufbar. Das dadurch virulent gewordene Datenschutzproblem führte zu einer Änderung der Handelsregisterverordnung und bedingt eine angepasste Verfahrensweise im Notariat.

Mehr

Nachfolgeplanung und Vorsorge
Keine Sittenwidrigkeit eines Pflichtteilserlasses durch einen Sozialhilfeempfänger

Keine Sittenwidrigkeit eines Pflichtteilserlasses durch einen Sozialhilfeempfänger

Bereits im Jahr 2011 hat der BGH entschieden, der zu Lebzeiten des Erblassers beurkundete Pflichtteilsverzicht eines behinderten Sozialleistungsbeziehers sei grundsätzlich nicht sittenwidrig. Nunmehr hat mit dem OLG Hamm ein erstes Obergericht diese Rechtsprechung auf einen nach dem Tod des Erblassers gegenüber den Erben erklärten Pflichtteilserlass übertragen.

Mehr